SPIELART 2017

Ankommen und sich wohl fühlen vs. Think Much. Cry Much. – Spiel über Grenzen am Münchner Hauptbahnhof

Die internationalen Künstler meinen es gut mit ihrem Publikum. Sie sind um unser Wohlergehen besorgt. Nicht nur um unsere körperliche Unversehrtheit, sondern mehr noch um unser psychisches Gleichgewicht. Man will uns nicht erschrecken, nicht aus der Bahn werfen, auf keinen Fall (bewusst) irritieren, bloß nicht triggern und schon gar nicht provozieren. Schon der New Yorker Performance-Poet Jaamil Olawale Kosoko begann #negrophobia mit beruhigenden Worten. Und nun lässt uns auch die in Berlin lebende, libanesische Performance-Künstlerin Rima Najdi in ihrer Projektbeschreibung zu THINK MUCH. CRY MUCH. wissen, dass alles für unsere Sicherheit getan werden wird. Obendrein werden ausschließlich angenehme, behagliche, tröstliche Gefühle und Erfahrungen angekündigt. Auf keinen Fall irgendetwas Krisenhaftes:

This piece will work to keep you comfortable, so that you don’t go through the experience of a refugee crossing a border. You won’t feel like a refugee at all. This piece will not create an emergency, so it will not explain or offer a solution of the refugee ‚crisis‘. It will not mention the word ‚crisis‘ at all.

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Vielleicht sollten wir anfangen, uns Gedanken um unser Image zu machen? Oder wieso glauben schwarze oder arabischstämmige Künstler, uns mit Samthandschuhen anfassen zu müssen? Hat sich unsere Hysterie bezüglich afrikanischer Männer oder Geflüchteter schon so weit herumgesprochen? Oder sind es noch ältere Erfahrungen mit schreckhaften, überreagierenden (überwiegend) weißen Mitteleuropäern?

THINK MUCH. CRY MUCH. ist als partizipative Performance, als interaktive Audio-Installation angekündigt. Die Teilnehmer*innen erhalten Kopfhörer und werden durch ein Hörspiel über Grenzen und Grenzregime geleitet. Sie erhalten Anweisungen, um gemeinsam eine kleine Choreografie im öffentlichen Raum ausführen zu können.

Experimente mit immersiven performativen Formen und der Gestaltung von narrativen Räumen sind bereits seit mehreren Jahren im Bereich der Kunst fest verankert. Den Klangräumen und großen Klanginstallationen des belgisch-kanadischen Künstlerpaars Cardiff / Miller hat das Münchner Haus der Kunst im Jahr 2012 eine Einzelausstellung gewidmet. Für den Alten Bahnhof in Kassel hatte das Künstlerpaar anlässlich der Documenta 13 ebenfalls 2012 einen Video-Walk produziert. Im Theaterbereich hat Rimini Protokoll mit „Situation Rooms“ eine ebenso beeindruckende wie bedeutende immersive Arbeit geschaffen, die 2013 bei SPIELART zu sehen war.

Und schließlich experimentieren in diesem Jahr bei WHISPERING BODIES verschiedene Künstler, Filmemacher, Choreographen und Regisseure mit dem Medium des intervenierenden Hörstücks als Audio-Guide in den Ausstellungsräumen des Münchner Stadtmuseums.

Rima Najdis THINK MUCH. CRY MUCH. behandelt Grenzen: Grenzrituale, Grenzlinien, Grenzverläufe, Abgrenzungen und Begrenzungen. Grenzen als Konstrukte. Grenzen als etwas, für deren Ausgestaltung wir alle verantwortlich sind. Grenzen als Bühnenraum für eine Choreografie der Migration. Während ihren Recherchen hat Rima Najdi mit diversen Akteuren der verschiedenen Seiten von Grenzzäunen gesprochen. Ihr Schauplatz ist der Münchner Hauptbahnhof, der im Sommer 2015 für eine große Zahl Geflüchteter das erste Ankommen in Deutschland markierte. Grenzen werden immer auch charakterisiert durch ihre Zwischen-, Begegnungs- und Transiträume.

Praktische Informationen zur Teilnahme: 

  • Der Eintritt ist frei. Eine verbindliche Anmeldung ist jedoch erforderlich: think.much[AT]spielmotor.de
  • Treffpunkt ist 30 Minuten vor Beginn der Performance im Hauptbahnhof München / Starnberger Flügelbahnhof.
  • Für die Ausgabe der Kopfhörer ist ein Pfand nötig. Bitte halten Sie ein Ausweisdokument o.ä. dafür bereit.
  • Veranstaltungsdauer: 70 Minuten (ohne Unterbrechung)
  • Die Vorstellung findet im überdachten Außenbereich statt. Denken Sie an wetteradäquate warme Bekleidung.
THINK MUCH. CRY MUCH. ist Teil des URBAN HEAT Projekts. Nach Dro (Italien) und Tallinn (Estland) ist München die dritte Station der partizipativen Performance. Weitere Stationen in Helsinki (Finnland) und Ljubljana (Slowenien) werden noch folgen.

 

THINK MUCH. CRY MUCH.  // Partizipative Performance // 6./ 8. / 9. / 10.11. // jeweils 18.30-19.40 Uhr // Hauptbahnhof München, Starnberger Flügelbahnhof

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