Art in Resistance SPIELART 2015

Außerirdische Wale

Die PROLETENPASSION 2015 FF. denkt den Protest-Begriff neu, indem sie ihm einen neuen musikalischen Ausdruck verschafft. Es lohnt also vielleicht den Blick, wer die beiden Musiker Eva Jantschisch und Knarf Rellöm sind, die sich um die Neubearbeitung des Stoffs der „Schmetterlinge“ von 1977 gekümmert haben. 

 

EVA JANTSCHITSCH 

„Rettet die Wale“ hieß das Debüt-Album, nach dessen Erscheinen 2004 Eva Jantschitsch als „Gustav“ plötzlich da war, zur Begeisterung der Feuilletons. Die Sängerin mit dem Jungennamen rette zwar nicht die Wale, aber mal wieder den österreichischen, wahrscheinlich sogar den deutschsprachigen Indie-Pop vor der turnusmäßigen Verblödung. Man kriegt ihre Texte schwer in den Kopf hinein, aber dann nicht wieder hinaus. Was Gustav da lakonisch erzählt und singt, ist stets abwegig, umwegig, bisweilen erfrischend ungreifbar, verglichen mit den Stadion-Ansagen, zu denen die Begegnung von Pop und Politik für gewöhnlich tendiert.

Erstaunlich, wie gut das alles funktioniert, auch beim breiteren Publikum; erstaunlich auch, zu welch epischer Breite sie mit ihren verschrobenen Elegien und Protestsongs gelangt. Ihre musikalischen Arrangements bestreitet Gustav oft mit dem Synthesizer, dann wieder mittels unterschiedlichster Instrumente. Die Ausnahme ist immer die Regel. Oft weiß man gar nicht so recht, wo man das nun schon wieder hinstecken soll, wenn sie im titelgebenden „Rettet die Wale“ zum Beispiel singt:

„Rettet die Wale/ Und stürzt das System/ Und trennt euren Müll,/ Denn viel Mist ist nicht schön./ Vergeudet eure Jugend/ Und sagt nicht Neger und nicht Tschusch/ Und seid ihr eures Lebens müde,/ legt Hand an euch und macht Schluss.“

Dem augenscheinlichen Zynismus widerspricht der Rest des Albums ebenso wie solche Zeilen aus dem zweiten Album „Verlass die Stadt“, der Song heißt „Soldat_in oder Veteran?“:

„Ja, hier wird Fleisch zersetzt,/ Hier werden Knochen freigelegt/ Und wenn du nicht kooperierst,/ Dann werden sie abgesägt./ Dein Kapital sei also folglich die Zerrissenheit?/ Meinst du, dass diese dich von unser aller Pflicht befreit?/ Nein. Niemand wird hier ausgespart/ Und jede kalkuliert/ Und du hast nur zu fragen,/ Wenn mich die Antwort interessiert./ Also! Wessen Schuhe ziehst du an?/ Bist du Soldat_in oder Schizopunk?“

Diese Frage läuft nicht ins Leere, mündet nicht im Zynismus, vielmehr schrauben sich Gustavs Texte immer weiter, durch die intellektuellen Verkrustungen hindurch, die sich in der gegenwärtigen Protest-Kultur gebildet haben. In ihrer Musik ist die Widerständigkeit latent, aber allgegenwärtig in der Schwierigkeit sie einzuordnen, ihrer Herr zu werden. Anstatt sich und ihre Person marketingoptimiert ausschlachten zu lassen, kommt sie den Fragen zuvor: „Bist du Soldat_in oder Schizopunk?“

Das ist praktischer Feminismus. Anstatt die hübsche, kluge Sängerin zu sein, sich überhaupt auf einzige Rolle festnageln zu lassen, stellt Gustav selbst die Fragen an ihre Identität. Zugleich übt sie damit eine Form des Protests, die ebenso lebendig hinter der spärlichen musikalischen Inszenierung schlummert wie der fremde, bedrohliche Wal im Alpenpanorama auf dem Cover ihres ersten Albums. Dieser Aufruf zu seiner Rettung, „Ist das der Schlag/ Oder schon die Wirkung?“

 

KNARF RELLÖM

„Knarf Rellöm“, Herrje, wie klingt denn das schon, bitte? Es klingt nach einem, der es mag, wenn es überall knarft und sprudelt, zischt, knallt, knöllt und quellt aus allen Poren, weil: so ist das halt. Nach einem, der gewissenhaft alle Fünfe grade sein lässt, aus einem ebenso klammheimlichen wie tiefen Sendungsbewusstsein, weil: so ist das halt, und einer muss es ja machen.

Fangen wir also mit den Schwierigkeiten an. Knarf Rellöm lässt sich zwar locker in eine Electro-Punk-Variante der „Hamburger Schule“ sortieren, in den engeren Dunstkreis des „Goldenen Pudel“. Dort, in Hamburg, tobt er sich seit seiner ersten Veröffentlichung mit der Band „Huah!“ aus. Bei ihnen hört man noch deutlich den Einfluss der „Goldenen Zitronen“, mit denen er als Roadie auf Tour war. Aber Knarf Rellöm ist eigentlich gar keine Band, sondern zugleich Kunstfigur und Fluidum, einer der „Umherschweifenden Produzenten“, so der Name einer Kollaboration mit Manuel Scuzzo, in Anlehnung an ein Buch des Neomarxisten Antonio Negri.

Bands, das waren stattdessen zum Beispiel „Ladies Love Knarf Rellöm“, „Knarf Rellöm with the Shi Sha Shellöm“, zuletzt „A Tribe Called Knarf“, um nur einige zu nennen. Die Botschaft: Jede neue Platte entsteht als etwas, das einer neuen Gegenwart geschuldet ist, aus neuen Kollaborationen und spontanen, „umherschweifenden“ Impulsen, anstatt alles zu einer Corporate Identity zusammenzuschmelzen, auf deren marketingtechnische Prägnanz hin sich alles reguliert, auf dass es ein Ganzes werde. Darauf hat Knarf offenbar keine Lust; bei ihm ragt überall was raus. Und wenn man sich den Musikbetrieb als ein riesiges Getriebe vorstellt, dann ist Knarf Rellöm stets die lokale Unwucht darin. Denn was da aus dem Ganzen herausragt, ist nicht zuletzt die Wucht oder Unwucht, die er auf der Bühne produziert, mit viel Glitzer, elektronischem Humtata und Schweiß, kurz: Knarf Rellöm passiert live. Er macht Theater.

Aber sprechen wir über Musik, über den Sprachwitz in seinen Texten, in denen er von der „Außerplanetarischen Opposition“ phantasiert – und damit implizit auf den Jazzmusiker und Poeten „Sun Ra“ anspielt, Peter Tosh ist mit einem Zitat des Refrains von „Out of Space“ an Bord des Raumschiffs. Knarf Rellöm funktioniert als ein Produkt seiner medialen Umwelt; sein Beitrag besteht in jener merkwürdigen Unwucht, mit der sein Raumschiff durch unsere irre, vernetzte Welt groovt, in der immer alles anders ist und nur eins sicher, nämlich: „Scheiß Kapitalismus“, so hieß das Debüt-Album seiner Band „Huah!“ 1990.

Knarfs Texte verdichten sich auch heute noch zu Parolen, die man programmatisch allerdings nur im Sinne eines zunächst unbestimmten Gegenprogramms verstehen kann: „Zweifel is in da House“, zum Beispiel, oder „Leb so, dass es alle wissen wollen.“ Und für alle, die es wissen wollen, schreibt er dann die „Autobiographie einer Heizung“

 

Eva Jantschitsch und Knarf Rellöm sind von heute an noch bis Samstag mit der PROLETENPASSION 2015 FF. auf der Bühne der Muffathalle zu sehen. Los geht’s jeweils um 20 Uhr.

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