SPIELART 2017

Von #metoo zur Ägyptischen Revolution von 1919 zum Tahrir und zurück

Laila Soliman recherchiert in ZIG ZIG über sexualisierte Gewalt im britischen Protektorat Ägypten und landet in der #metoo Debatte 

Der sogenannte „arabische Frühling“, der in Ägypten mit den Demonstrationen vom  25. Januar 2011 und der anschließenden Besetzung des Tahrir-Platzes verbunden bleibt, gerät allmählich in Vergessenheit. Die Unterdrückungsstrukturen, die Präsident al-Sisi revitalisiert hat, beispielsweise die Verfolgung Homosexueller zuletzt, beherrschen heute kaum mehr als ein, zwei Tage die westlichen Schlagzeilen. Bemerkenswerte politische Reaktionen des Westens rufen sie schon gar nicht hervor.

Noch mehr in Vergessenheit geraten sind im Westen die zahlreichen Aufstände, Revolutionen, Bewegungen, die Unabhängigkeit von der Kolonialherrschaft forderten und/oder nationalistische Interessen ins Zentrum stellten. Eine dieser vergessenen Revolutionen ist die ägyptische Revolution von 1918/1919, die vor allem von der nationalistisch geprägten Wafd-Partei vorangetrieben wurde und sich gegen die britische Besatzungsmacht richtete. Achthundert Ägypter*innen verloren dabei ihr Leben.

In der Geschichtsschreibung werden in den Jahren danach in der Regel die Beiträge der Revolutionärinnen allmählich zum Verschwinden gebracht. Dabei ist jedoch auch festzuhalten, dass revolutionäre Frauen häufig besonders stark Gewalt und Disziplinierungsmaßnahmen ausgesetzt sind. In Aufstandsbekämpfungsprogrammen weltweit gilt immer wieder die Maxime: „Erschießt die Frauen zuerst!“

Bei den Demonstrationen in Kairo 2011 wurde ein Vorfall ikonisch: das Bild einer Demonstrantin, die von mehreren Soldaten rabiat weggeschleift, getreten und malträtiert wurde, hat sich ins globale Gedächtnis eingebrannt. Sie wurde als „die Frau mit dem blauen BH“ bekannt. Und in der Folgezeit wurde an sie nicht nur auf Wänden, sondern auch in diversen Kunst- und Pop-Kontexten erinnert.

Laila Soliman ist in den britischen Archiven des Foreign Office auf einen Fall aus dem Jahr 1919 gestoßen, als die britische Besatzungsmacht Frauen einer Widerstandsregion in der Nähe von Gizeh vergewaltigte. Sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe ist in nahezu allen kriegerischen Konflikten dokumentiert. In diesem Fall haben die Frauen jedoch anschließend Anzeige erstattet und einen Prozess angestrengt.

Dokumente ihrer Recherchen sowie einen Zeitstrahl der Ereignisse der Revolution von 1919 hat Laila Soliman auf ihrer Website www.zigzig.info allgemein zugänglich gemacht. In ZIG ZIG bilden diese historischen Materialien, aber auch persönliche Erfahrungen der Darstellerinnen mit sexualisierter Gewalt und „Rape Culture“ das Ausgangsmaterial der Inszenierung.

Damit kann der Abend auch als Beitrag zur aktuellen #metoo Debatte verstanden werden und als #Aufschrei, sexualisierte Gewalt weltweit zu thematisieren und endlich zurückzudrängen und zu verfolgen.

 

Nach der Vorstellung am Montag ist ein Künstlergespräch angekündigt.

 

 

ZIG ZIG // LAILA SOLIMAN // KAIRO // 29.10. 17.00-18.15, 30.10.  20.00-21.15 // ENGLISCH MIT DEUTSCHEN ÜBERTITELN, ARABISCHE PASSAGEN MIT DEUTSCHEN UND ENGLISCHEN ÜBERTITELN // HOCH X

KÜNSTLERGESPRÄCH NACH DER VORSTELLUNG AM 30.10.

 

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