OBSERVING BUNDESWEHR: Afghanistan – OBserving das Einsatzgebiet
Kunduz. Nach über einem Jahrzehnt am Hindukusch sollen in weniger als einem Jahr die meisten der 4200 deutschen Soldaten abgezogen werden. Es herrscht Abschiedsstimmung. Und doch kämpfen, schießen, sterben dort immer noch deutsche Soldaten. Der letzte fiel am 4. Mai dieses Jahres, ein Hauptfeldwebel, 32 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Weniger als eine Woche später reist Kanzlerin Angela Merkel, zusammen mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière, unter strengster Geheimhaltung zum Truppenbesuch nach Afghanistan.
Kunduz. Dieser Ort steht symbolisch für das blutigste Kapitel in der Geschichte der Bundeswehr. In den schwersten Gefechten seit dem zweiten Weltkrieg fielen hier am Karfreitag 2010 drei deutsche Soldaten. In Kunduz befahl ein deutscher Oberst im September desselben Jahres, zwei Tanklaster zu bombardieren. Bis zu 142 Menschen kamen in einem Feuersturm ums Leben, darunter viele Zivilisten. In Kunduz wurden deutsche Soldaten von Panzerabwehrgranaten in Stücke gerissen und von versteckten Sprengsätzen verwundet. Kunduz steht für den ersten wirklichen Krieg der Bundeswehr neben dem Kosovo-Einsatz, in dem über zehn Jahre hinweg 53 deutsche Soldaten ihr Leben verloren.
An der Erinnerungsstätte im Feldlager Kunduz, dem „Ehrenhain“, gedenkt Kanzlerin Merkel der gefallenen Soldaten. Die meisten von ihnen wurden unter ihrer Regierung in diesen Krieg geschickt. Merkel betet, sichtlich berührt, das Vaterunser, und spricht anschließend zu den deutschen Soldaten: „Wir haben derer gedacht, die hier ihr Leben lassen mussten. Dabei ist mir wieder bewusst geworden, dass Sie Ihren Dienst unter großen Risiken leisten. Dafür möchte ich Ihnen heute danken.“
Bald soll die Bundeswehr das Feldlager an die afghanische Armee übergeben. „Übergabe der Sicherheitsverantwortung“ heißt das im Diplomatendeutsch. Die Afghanen sollen sich selber um die Taliban-Hochburg Kunduz kümmern. Doch viele deutsche Soldaten fürchten, dass Afghanistan nach dem Abzug westlicher Truppen zurückfällt in Chaos und Bürgerkrieg – und dass die 53 deutschen Soldaten umsonst gestorben sind.
„Wir hinterlassen dort nichts, was ohne uns irgendwie stabil ist“, sagt ein Elitensoldat. Diese Soldaten werden, die letzten sein, die an diesem Krieg beteiligt sind. Sie werden nach Hause kommen. Und wir werden sie sicherlich bald vergessen. “Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“, sagte ein ehemaliger Verteidigungsminister. War es so? Ist es immer noch so? War alles umsonst? Und was passiert mit den Soldaten, die zurückgekommen sind? Werden wir uns an einen gefallenen Soldaten erinnern? Letztendlich ist dieser Krieg sehr weit weg von uns…. und die Erinnerungsstätte, der Ehrenhain, verweilt auch dort, in Kunduz.
“Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.“ (Platon)
Um an diesem und anderen Gedanken teilzuhaben, möchten wir Sie herzlich einladen: OBserving Bundeswehr, Bayerische Theaterakademie August Everding, 26.11., 17 Uhr.
von Esteban Muñoz