cityworks

Cityworks – 9 Possible Portraits

TIMON WERNER
Seit fast 20 Minuten laufe ich nun mit merklich unpassendem Schuhwerk durch den matschigen Park einem alten Mann hinterher. „Follow someone without being seen during 20 minutes“, befiehlt mir der Zettel, den ich im Rahmen der Performance 9 Possible Portraits erhalten habe. Und weiter: „Do the portrait of that person“. Ich folge also diesem etwa 70 Jahre altem Mann. Eine graue Mütze verdeckt das gleichfarbige Haar. Er trägt eine grüne Kordhose, schlichte Schuhe und verbirgt seine Hände vor der Kälte in seiner dunklen Jacke. Langsam schlendert er durch die Gegend, sodass ich öfters auch mal stehen bleiben kann oder mir eine Zigarette anzünde, bevor ich mit wenigen Schritten wieder zu ihm aufschließe. Der Mann scheint keine spezifische Richtung zu haben, keine Intention, keine Termine – auf mich wirkt er zufrieden. Erst als ich ihn am Ende meiner 20 Minuten passiere, bemerke ich die eckige, altmodische Brille und den Schnäuzer, unter dem sich ein sympathisches Grinsen verbirgt. Zwangsläufig fühle ich mich durch die vergangenen 20 Minuten mit ihm verbunden.

 

Hinter dieser Aufgabenstellung verbirgt sich die Idee, eine Performance zu konzipieren, die in jeder Stadt umsetzbar ist und deren Ergebnis ein „possible Portrait“ derselben bietet. Die zufällig gestellten Aufgaben, die allein oder als Gruppe bewältigt werden können, klingen zunächst simpel, nehmen aber schnell eine interessante Eigendynamik an. Denn 9 Possible Portraits wirft den Teilnehmer stets auf seine eigene Wahrnehmung zurück. Egal ob man als Gruppe, ein Café aufsucht und dort, ohne eine Bestellung aufzugeben, über ein vorgegebenes Thema philosophiert oder wie in meinem Fall dem nächstbesten Fremden folgt und einen kleinen Teil seines Tages mit ihm teilt. 9 Possible Portraits ist nicht lediglich in jeder Stadt umsetzbar, sondern zeigt vielmehr, was alle gemeinsam haben. Die Performance macht ihre Teilnehmer auf deren unmittelbare Umgebung und Mitmenschen aufmerksam. Dinge, die wir im Alltag allzu oft ausblenden.

Related Posts

Schreibe einen Kommentar