CHASING RAINBOWS

Der Maji-Maji-Krieg: Interview mit Sophia Stepf

 

Wer kennt den Maji Maji-Krieg, einen der größten Kolonialkriege auf dem afrikanischen Kontinent? In Tansania jedes Kind, In Deutschland kaum jemand. Zeit das zu ändern, findet die Regisseurin und Dramaturgin Sophia Stepf. Ihre Lecture „Who is Familiar With the Maji Maji War“ ist Teil von Crossing Oceans, dem Diskurs- und Performance-Wochenende beim SPIELART 2017.

Hi Sophia, wovon sprechen wir, wenn wir vom Maji-Maji-Krieg sprechen?

Von einem der größten Kriege gegen die europäische Kolonialherrschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Er fand 1905-1907 im Süden des damaligen Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) statt. Über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg breitete sich der Aufruf des Heilers Kinjekitile Ngwale zum Widerstand gegen die Deutschen aus. Die deutsche Kolonialmacht reagierte mit massiver Gewalt der sog. „Schutztruppe“ und dezimierte mit der Strategie der „verbrannten Erde“ die Zivilbevölkerung. Schätzungsweise starben bis zu 300.000 Menschen im Krieg und an dessen Folgen, aber nur 14 deutsche.

In unserer Programmplanung ist uns ein gravierender Fehler unterlaufen: In unserem gedruckten Programmheft ist von „Maji Maji Uprising“ die Rede. Warum ist es so wichtig, in dem Zusammenhang von einem Krieg/War zu sprechen?

Tatsächlich ist in vielen Publikationen von „Aufstand“ die Rede, allerdings ist dieser Begriff von der Sicht der damaligen Kolonialherren geprägt. „Aufstand“ suggeriert eine Erhebung gegen eine etablierte und womöglich legitimierte Macht. Dagegen spricht man in Tansania von „Vita vya Maji Maji“, also vom Maji-Maji-Krieg, denn die Deutschen waren ja Aggressoren von Außen, die ein riesiges Gebiet zur Kolonie erklärt hatten, das sie selbst kaum kannten.

Wie wird diese verzerrte deutsche/europäische Wahrnehmung in Tansania aufgenommen?

Die wenigsten Menschen in Tansania können sich vorstellen, dass kaum ein Deutscher die eigene Kolonialgeschichte kennt. Der Widerstand gegen die deutsche und später britische Kolonialmacht gehört zum identitätsstiftenden Nationalmythos und ist auch Schulthema. Es gibt viele Familien in Tansania, in denen die Erinnerung an das von den Deutschen zugefügte Leid noch präsent ist und die bis heute auf eine öffentliche Geste der deutschen Regierung warten. Oft hört man Geschichten von hingerichteten Chiefs, deren Schädel nach Deutschland geschickt wurden. Und tatsächlich lagern noch heute tausende menschliche Überreste aus der Kolonialzeit in den Depots deutscher Museen und Universitäten.

Beobachten Sie Fortschritte in der Wahrnehmung der Ereignisse in Deutschland und in Europa?

Obwohl einzelne Akteure teilweise schon seit Jahrzehnten gegen die „koloniale Amnesie“ kämpfen, kommt es erst in den letzten Jahren zu einem langsam wachsenden Bewusstsein. Es gibt Ausstellungen, Filme, Theaterperformances wie unsere. Nicht zuletzt hat auch der Kampf der Communities der Herero und Nama um die Anerkennung des Völkermords im damaligen Deutsch-Südwestafrika dafür gesorgt, dass mehr Menschen in Deutschland von der Gewaltherrschaft in den Kolonien erfahren. Auch deutsche NGOs und lokale Initiativen z.B. zur Umbenennung kolonialer Straßennamen tragen zur Debatte bei. Der Streit um das rekonstruierte Berliner Stadtschloss mit dem Humboldt Forum, in dem ethnologische Objekte ausgestellt werden, „an denen Blut klebt“ (Zitat Bénédicte Savoy) ist nur ein vorläufiger Höhepunkt dieser Debatte.

 

Wie ließe sich die öffentliche Aufmerksamkeit für Verbrechen der Kolonialzeit Ihrer Ansicht weiter sensibilisieren? 

Viele von uns reagieren mit einem typisch deutschen Abwehrreflex nach dem Muster: „Bitte nicht noch mehr Schuld, wir haben doch schon den Holocaust! In der Kolonialzeit waren die anderen viel schlimmer!“ Das macht es schwierig zu sensibilisieren. Aber es geht nicht um Schuld, sondern um Verständnis und Anerkennung. Natürlich ist es beschämend, dass wir über die deutschen Kolonialverbrechen nichts in der Schule gelernt haben, doch das lässt sich ändern und es passiert auch schon an einigen Schulen. Die jüngeren Generationen haben auch diesen Abwehrreflex nicht mehr. Und natürlich hilft es, wenn man als Tourist*in nicht nur in Namibia auf Safari geht oder in Tansania den Kilimanjaro besteigt, sondern sich bei der Gelegenheit von den lokalen Communities etwas über die Kolonialgeschichte erzählen lässt, Spuren davon – und leider auch Strukturen – sind auch heute noch reichlich vorhanden.

Sophia Stepf ist freie Regisseurin, Dramaturgin und Kuratorin und lebt in Berlin. Sie ist künstlerische Leiterin der Kompanie Flinn Works (Berlin/Kassel) und arbeitet an internationalen Stückentwicklungen zu aktuellen Themen der globalisierten Welt. 2016 hat sie sich in zwei Projekten mit der Kolonialgeschichte Deutsch-Ostafrikas beschäftigt.

 

WHO IS FAMILIAR WITH THE MAJI MAJI WAR // LECTURE // 5.11 15.45-17.15 // MUFFATHALLE 2

 

 

Related Posts