SPIELART 2013

NORMARENA – Textauszug von Gerhild Steinbuch

Foto: brut Wien

Foto: brut Wien

Textauszug aus NORMARENA von Gerhild Steinbuch

 
Lass uns zur Abwechslung von etwas sprechen das gewesen wäre, das fällt mir leicht. Lass uns zur Abwechslung von einer Zukunft sprechen, die einmal ein andres, vorwärts, die einmal kein Vorwärts wäre, in diesem Wäre also, das nicht alles plattwalzt, nehmen wir jetzt an – aber nein. Der Tag kommt, der Tag geht, aber der Körper geht immer weiter, die Liebe geht immer weiter, Gemeinsam geht weiter, die Straße geht weiter, die Stadt geht weiter, das Wohnen geht weiter, das Zimmer geht weiter, Vier Wände gehen weiter, Zuhause geht weiter, an der Tür hängt ein Zettel, verzogen, und Action: Da steht ein Mensch am Stadtrand Straßenrand, am Rande des Geschehens, und er wartet auf den Anfang. Der Anfang kommt nicht, der Tag kommt, der Tag geht, der Blick geht in die Landschaft hinein, die Landschaft geht immer weiter, die Menschen darin gehen immer weiter, sie trampeln nichts kaputt, an der Tür hängt ein Zettel, verzogen, das Zusammenleben geht weiter, das Zerreiben geht weiter, der Weg geht weiter, das Erzählen geht weiter, die Bahn fährt und das  Zueinanderkommen geht weiter, die Landschaft geht weiter, schon wieder, ja, aber wie höre ich, wie höre ich, wie höre ich, wie höre ich, das Band hängt, das Band wird abgespult, am laufenden Band neue Einfälle, ein Band, das niemals durchgeschnitten wird, denn hier wird nichts eröffnet. Wie höre ich auf. Sieh nur, sieh, ach, schon geht ein Riss durch die Landschaft bei dem schlechten Gedanken, quer durch Stadt und Mensch, ein halbes Gesicht, ein halbes Gefühl, ein halber Standplatz, aber fürchtet euch nicht!, da dringt ein Licht durch die Landschaft, und das Unheil eines Endes abge- wendet, und der Mensch die Hände vors Gesicht, aber fürchtet euch nicht!, denn jetzt geht allen ein Licht auf, das Licht im Saal geht jetzt an, und da ist jetzt kein Mensch mehr; ein Mehr an Mensch stattdessen, das sich in den Sitzreihen drängt vor der Leinwand, das die Leinwandenge ängstlich an sich drückt. Einer schweigt, würde, ja, aber hier sind immer viel zu viele, die Worte versagen, die Wörter ver- sagen, ja und darum kommen sie jetzt wieder, die kommen mit der Gemeinschaft zurück.

 

Zu Vorstellungsbeginn trägt jeder eines in den Saal. Danach lässt sichs reden, lässt sich sagen: Das sind wir. Es lässt sich sagen, dass das unsere Geschichte ist. Das Licht im Saal ist also angegangen, und jetzt geht es wieder aus, und der Film beginnt, und der Blick geht in die Landschaft, von der Weite des Abspanns begrenzt, er wandert die eigene Landschaft auf und ab: Das Erdreich ist zertrampelt. Wer steht darin herum? Nimm dich in Acht mein Kind, denn der Feind ist immer wachsam, hier, am Rande des Spielfilms, hier, mitten im Geschehn, und Action: Der eine wirft einen Blick, den der andere nicht aufhält, dem der andre nicht stand- hält, da liegt er auch schon, aber schon vorbei: der ist aus seiner Rolle geklettert, dieser andre Mensch, und dann ist er kurz zwischen uns gestanden, ja, wirklich, als das Licht im Saal angegangen ist und wir die Bilder ordnen wollten, dass wir da hernach ordentlich hineinfallen können, dass sie uns nicht auf den Kopf fallen können, während der Abspann eine schöne Furche in die Landschaft zieht. Und die hat ihn verschluckt, diesen Menschen, Ordnung muss sein, der ist im Abspann verschwunden, der ist durch alle Rollen gefallen, auch in der Schule des Lebens, auch in der zehnten Wiederholung der Geschichte, an deren Anfang sich die Bilder ordnen und deren Ende eine Furche in die Landschaft zieht, in die wir nämlich und natürlich nie hineinfallen – Was ist das?
mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Theater Verlag, Reinbek

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