SPIELART 2017

Von wegen glückliche Prinzessinnen: Eisa Jocsons „Princess“ knüpft sich Disneys Happyland vor

Die philippinische Choreografin Eisa Jocson in ihrer Performance PRINCESS.

Auch die philippinische Choreografin Eisa Jocson möchte mit ihrer Performance PRINCESS stereotype Identitäten auseinandernehmen. Dafür schlüpft sie in die Rolle der zuckersüßen Prinzessin Schneewittchen. Ein kritischer Blick auf die amerikanisierte, globale Vergnügungsindustrie und ihre Konsequenzen auf die philippinische Gesellschaft.

Sie dürfen Zebras im KÖNIG DER LÖWEN, Korallen in ARIEL, DIE MEERJUNGFRAU, Affen in TARZAN spielen – zu mehr taugen sie scheinbar nicht, die zahllosen Philippinas und Philippinos, die im Disneyland Hong Kong angestellt sind. Ausgesucht werden sie nach dem sogenannten „Disney Cheeky Factor“, der einstufen soll, wie fröhlich und lebhaft sie rüberkommen. Die amerikanische Kitsch-Kultur hat sich tief in die philippinische Psyche eingegraben. Teil dieses Imperiums zu sein, das für endlose Happiness steht, ist das größte Ziel vieler. Da ist es schon fast absurd, dass ein riesiger, überbevölkerter Slum in Manila, der Hauptstadt von Philippinen, denselben Namen trägt wie die Disney-Freizeitparks: Happyland.

Grund genug für die in Manila lebende Choreografin und Tänzerin Eisa Jocson die Disney-Glücksscheinwelt in ihrer Performance PRINCESS einmal zu hinterfragen und zu dekonstruieren. Gemeinsam mit dem Performance-Künstler Russ Ligtas verkörpert sie Schneewittchen, den Archetypen des glücklichen Mädchens. Mit PRINCESS hat Eisa Jocson ihre Arbeit, die sie zu Beginn der letzten Spielzeit im Rahmen von THE GREATEST SHOW ON EARTH an den Münchner Kammerspielen präsentiert hat, weiterentwickelt. Als bildende Künstlerin mit Balletthintergrund kam Eisa Jocson über den Pole Dance zum zeitgenössischen Tanz.  Und das spürt man auch in ihren Produktionen. Darin untersucht sie immer wieder die Verschränkungen von Geschlecht, Arbeit, Migration und Körperlichkeit, wie etwa in MACHO DANCER den hypermaskulinen, erotischen Tanz oder in HOST eine philippinische Hostess, die in japanischen Nachtclubs als Geishas verkleidet als Projektionsfläche für Weiblichkeit und sexuelles Begehren gilt.

Eisa Jocson in PRINCESS.

In PRINCESS soll es nun um die Lieblingsfigur vieler Kinder auf der ganzen Welt gehen, um Schneewittchen. Auch wenn Schneewittchen eigentlich enorm viel durchmachen musste in ihrem Leben und überhaupt keinen Grund dazu hätte, glücklich zu sein, wird sie doch von Disney instrumentalisiert – als Inbegriff des strahlenden, fröhlichen Mädchens. Traurige, traumatisierte Mädels gibt’s in der Realität genug. Das wollen die Konsumenten der Freizeitparks nicht sehen und die Macher von Disney auch nicht zeigen. Stattdessen gibt es in Orlando, Paris, Hong Kong, überall lächelnde Mickymäuse, Prinzessinnen, Prinzen, Biester, Enten. Wer sich tatsächlich hinter den Masken und den roten Lippen verbirgt, interessiert nicht – und genau da möchte Eisa Jocson anknüpfen, indem sie mit der Figur Schneewittchen spielt und sie in einen neuen kulturellen Kontext rückt: Russ Lightas und Eisa Jocson überfallen die weiße Prinzessin quasi und dekonstruieren ihre Identität. So schlüpft der marginalisierte, philippinische Körper ins Zentrum der Performance, der Disneywelt. Sie imitieren ihre Bewegungen, ihre Mimik, ihre Sprachen, um sie am Ende zu neuzudenken.

PRINCESS // PERFORMANCE // 10.+11.11.19.30 UHR // MÜNCHNER KAMMERSPIELE (KAMMER 2)

 

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