WAKE UP!

Bildwelten des Protests

Ein dicker Malerpinsel fährt über die Wand, auf die sich weiße Farbe Schicht um Schicht legt. Am Ende wird der Schriftzug „The real terrorism is the 8 o’clock news“ darauf zu lesen sein.

The Wake up Call

The Wake up Call

Graffitis spiegelten für Kostas Kallegris die Unzufriedenheit der Bevölkerung wider. Da Graffitis oder Street Art im Allgemeinen eine ephemere Kunst sind, die von einem Tag auf den anderen übermalt oder zerstört werden kann, beschloss er, diese Zeitdokumente der Situation Griechenlands zu erhalten – in einem Film, der sich auf die vier Athener Street Art Künstler Paul, MaPet, Absent und Bleeps konzentriert. Vor knapp einem Jahr hat Kostas Kallegris seinen Dokumentarfilm The Wake up Call abgeschlossen.

Ein ambitioniertes Unterfangen hatte er sich da vorgenommen, die Künstler – die ja meist anonym bleiben wollen – bei ihren Straßenaktionen zu begleiten. Doch er konnte ihr Vertrauen gewinnen: Sie ließen ihn teilhaben am Entstehungsprozess ihrer Arbeiten, aber auch an der Normalität ihres Lebens. Street Art-Künstler sind ja nicht unbedingt linksgerichtete Vandalen. Ma Pet zum Beispiel ist eigentlich Zahnarzt, nachts hinterlässt er seine Botschaften im öffentlichen Raum Athens.

 

Satire-Magazin Uykusuz

Satire-Magazin Uykusuz

„90 Jahre Republik, aber kein Tag Demokratie“ werfen die türkischen Protestierenden Erdoğan vor. Denn die Demokratisierungsprozesse wurden in den letzten Jahrzehnten verlangsamt, die neue Grundgesetzgebung ist quasi Diktatur. Ob die Türkei weiterhin ein islamisch geprägter Staat bleibt oder sich zu einer Demokratie wandelt, ist unklar. Abstrus sind die Vorschriften des Regierungschefs, um gegen den vermeintlichen Sittenverfall in der Türkei vorzugehen. Nun will er sogar gemischte Studenten-WGs abschaffen.
Kontrolle wird auch auf ein Dutzend Fernsehkanäle und Tageszeitungen ausgeübt. Bei kritischer Berichterstattung über die Gezi-Bewegung folgten Entlassungen. Derzeit sitzen knapp hundert Journalisten in Haft.
Einem längst überholten Mediensystem steht das Satire-Magazin Uykusuz (übersetzt „Schlaflos“) gegenüber, das einen Weg gefunden hat, dieser Tyrannei zu entgehen, und sich auf die wirkungsstärkste Waffe der türkischen Proteste konzentriert: Mit Humor und Spott begleiten sie die türkische Politik. 200.000 Exemplare des Magazins erscheinen jede Woche. Die Leser sind eine junge Generation, die vor Kurzem noch völlig unpolitisch lieber vor ihrem Computer saß – und im Gegensatz zu Erdoğan oder der AKP die popkulturellen Anspielungen des Satire-Magazins versteht. Bei WAKE UP! wird Mitherausgeber Barış Uygur über die Rolle von Satiremagazinen in den türkischen Medien sprechen.

Chronicle of a revolt Drawing/Photo: Enrique Flores

Chronicle of a revolt
Drawing/Photo: Enrique Flores

Über Bildwelten hielt auch der spanische Illustrator Enrique Flores Momente des Protests fest. Ganze Skizzenbücher füllte er mit seinen Eindrücken zur 15. Mai-Bewegung in Spanien. Er zeichnet das, was er sieht, hört und fühlt. Eine Ausstellung zeigt seine Chronik des friedlichen Aufstands.

Durch die Wahrnehmung des Künstlers betrachtet man Leute, die sich auf dem Puerta del Sol im Zentrum Madrids versammelten. In ihren Händen halten sie Musikinstrumente, Protestschilder und Megaphone. Hier steht ein Polizist mit verschränkten Armen, da sitzt ein aufmerksamer Zuhörer. Unmittelbar und ganz subjektiv gefiltert durch den Künstler wird Einblick in die Geschehnisse in Spanien gegeben.

 

 

 

Hannes Neubauer bei seiner Aktion XADREZ

Hannes Neubauer bei seiner Aktion XADREZ

Egal ob Massendemonstrationen in Brasilien oder handwerkliche Notfälle in Athen, der Objektkünstler Hannes Neubauer scheint in jeder Situation und in jedem Winkel der Welt dabei zu sein. In Bayreuth baute er die Skulptur, pardon Kulptur INDIKATOR zum Thema erneuerbare Energien, in Hildesheim schuf er die drei Meter hohe Stele MEGALÖTH aus Essbesteck. Und dann gibt es noch die Artaktionen wie in Griechenland, wo er als rasender Handwerker unterwegs war. In Brasilien wechselte er die Position und schlüpfte in die Rolle der Oberschicht, indem er  gegen die Demonstrationen Schach spielte.

Bei WAKEUP! übertitelt er seine Kunstaktionen mit einem der Klassiker der Design-Leitstätze: „Form follows function“.

 

 

 

 

 

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