Widerstand in Bildern, Lectures und Performances
„Augenblick verweile“
Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt zeigten auf dem Art in Resistance-Wochenende eindrucksvolle Arbeiten – Ausstellungen, Lectures, Installationen und Performances – die auch zum Austausch, Mitmachen und Diskutieren einluden. Vielfältige, kritische Arbeiten, die kaum bekannte Einblicke bieten-, Themen beleuchten- und starre Urteile entschärfen sollten. Doch obwohl einige Ausstellungen auch über das Wochenende hinaus im Gasteig zu sehen sind, hätte man sich gewünscht, dass die authentischen Begegnungen und Augenblicke mit den Künstlern etwas länger gedauert hätten, um Themen zu vertiefen, nicht neue (Vor-)Urteile oder Klischees entstehen zu lassen, den über 50 Arbeiten und Menschen Zeit und Raum zu geben. Vielleicht nimmt der ein oder andere das Wochenende als Anlass, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Ein paar Impressionen für alle, die das Art in Resistance noch einmal Revue passieren lassen wollen oder es verpasst haben.
Was als Witz auf Facebook begann, hat sich inzwischen zu einem großen Kunst-Projekt entwickelt. Der Visual Artist Mohamed Elmasry aus Ägypten, Gründer der Egypt Point, einer Plattform für interdisziplinären Austausch, präsentiert eine Serie von Bildern, auf denen Nachrichtenbilder mit Comic-Figuren dargestellt sind.
Mal mischen sich Aliens unter Soldaten, mal Dinosaurier, dann steht ein bunter Clown neben grobschlächtigen Polizisten. Breaking News ist eine ironische Antwort auf die Propaganda-Medien in Ägypten und deren Verharmlosung bzw. komplette Verschleierung von Verbrechen durch den Staat. Das führt Elmasry ad absurdum und fragt sich, ob nicht ein Drache statt der Polizei (die eigentlichen Brandstifter) das Feuer auf den umkämpften Straßen entfacht. Einfach und brillant. Zu jedem Bild existiert eine individuelle Geschichte, sagt Elmasry. Doch der Künstler erzählt auch, dass viele Ägypter ehemalige Klassenkameraden, Freunde und Bekannte unter den Soldaten kennen und sie daher nicht komplett ablehnen oder gar bekämpfen können. Aus westlicher Perspektive sei es natürlich einfacher, Soldaten als „gesichtslos“ zu institutionalisieren. Für einen demokratischen Staat, wie er in Ägypten hätte installiert werden sollen, und zu dem auch das Recht auf Meinungsfreiheit zählt, setzt sich Elmasry mit seinen manipulierten Bildern aber dennoch ein.
Wie sich diese lustige Idee in ein Projekt verwandelte, erzählt er selbst:
„A Restless State“ – „Anarchy in the U.K“
Als Kind ist Kypros Kyprianous mit seinen Eltern aus Zypern nach England ausgewandert. Zurzeit lebt und arbeitet der bildende Künstler in Bristol. Der Fokus seiner Werke liegt auf politischen Themen wie etwa der Polizeigewalt in England, den verschärften Verhörmaßnahmen als Konsequenz der Antiterror-Gesetze oder der gezielten Desinformation durch amerikanische Geheimdienste. In der Ausstellung am Gasteig werden Fotografien von Polizisten einigen Porträts gegenüberstellt. Denn als Kyprianous untersagt wurde, auf Demonstrationen zu fotografieren, fing er an, die Polizisten zu zeichnen. Auf diese Weise kam er mit ihnen ins Gespräch.
Das Bild „Mensch sein“ etwa erzählt von einer Konfrontation: „(…) Ein Polizeibeamter bittet mich, ihm die Skizzen zu zeigen. Ich sage ihm, er solle still stehen, ich sei noch nicht fertig. (…) Ein Polizist sagt mir, ich sei nicht gut. „Sie auch nicht“, antworte ich und deute auf einen Verletzten, der aus der Absperrung tritt.“
Polizei ja oder nein? Kypros Kyprianous Antwort:
„Banana Justice“ – irgendetwas ist krumm an der Banane
Über den Rolltreppen im Gasteig ist die Installation Banana Justice angebracht, die zunächst kaum auffällt, doch, schaut man genauer hin, sogar eine Geschichte erzählt: aus Bananen. Von der Ausbeute südamerikanischer Plantagenarbeiter durch große Bananen-Exporteure wie Chiquita bis hin zu modernen Exportgeschäften. Yi Chun Lo aus Taiwan arbeitet am liebsten mit recycelten Gegenständen, die für sie eine Kritik am Kapitalismus, Diktaturen und der Globalisierung symbolisieren. Die Idee zu ihrer „Bananenrepublik“ kam Yi Chun Lo im Supermarkt in Taiwan, als sie einen großen Berg Bananen vor sich sah und an das „Banana-Kingdom“ in Taiwan dachte, das Jahrzehnte lang Bananen nach Japan exportierte.
Yi Chun Lo über die „zwiespältige“ Frucht:
The Wall Museum – Geschichten junger Palästinenser
Das Wall Museum befindet sich an der Mauer, die Bethlehem von Jerusalem trennt und im Jahr 2002 gebaut wurde. Sie befindet sich am Rande der palästinensischen Autonomiegebiete im Westjordanland und wird oft auch „Apartheidsmauer“ genannt.
Toine van Teeffelens „Wall Museum“ besteht aus 120 Postern, die an dieser Wand hängen und Geschichten junger Palästinenser versammeln: vom Alltag mit all den Restriktionen auf der einen, dem Widerstand gegen eben diese auf der anderen Seite. So beginnt ein Junge seinen Text „Do you want…“ mit elementaren Fragen wie „Do you want freedom of movement? Do you want peace?“ und konstatiert schließlich: „Since I could think, live and breathe I think of my freedom. I want to live, like most people in the world.“
Toine van Teeffelen, der das Arab Educational Institute in Bethlehem leitet, über die „sprechende“ Mauer:
Urbanopedias – Was wir über politische Systeme wissen
Der Neologismus Urbanopedias spricht für sich: Mariandreina Baasch aus Venezuela zeigt 16 Bilder, auf denen etwa die Begriffe „Kapitalismus“, „Sozialismus“, „Oligarchie“, „Faschismus“ stehen. Diese blanko-Papierblöcke hat die Künstlerin sowohl in Venezuela, als auch in Deutschland aufgestellt. Zeitgleich können Besucher Assoziationen zu diesen Begriffen aufmalen -oder schreiben. Baasch zeigt ein paar Fotos auf Instagram: je nach Sozialisierung haben sich unterschiedlichste Konnotationen zu den politischen Begriffen ergeben. Die Künstlerin erzählt, dass ihr Artivism (der Begriff setzt sich aus Art + Activism zusammen), als friedlicher Protest ohne Waffen die effektivere Lösung sei: wenn sie in Venezuela ein Festival ankündigt, auf dem sie kritische Kunstaktionen startet, hat sie bessere Chancen, es durchzusetzen. Ein offener Protest hingegen werde gewaltsam niedergeschlagen. Obwohl viele der oben genannten Stichworte politisch eng verbunden sind oder zum jeweils einen oder anderen führen, lehnt Baasch die Verknüpfung einzelner Begriffe ab.
Mariandreina Baasch erzählt, was sie mit dem Projekt zum Ausdruck bringen will:
Miki-Rat-Series – Natur und Plastik
Jairo Miranda aus Costa Rica ist einer der wenigen Künstler, der noch bis in die späten Abendstunden im Gasteig ist. Miranda bastelt an seinen Miki-Rat Series und will den Besuchern zeigen, wie er arbeitet. Zu sehen sind lebensgroße Micky-Mäuse aus Stein auf einer weißen Wand. Für gewöhnlich arbeitet er in einem nicht-öffentlichen Raum und zeigt die Ergebnisse seiner Arbeiten dann erst auf der Straße. Miranda geht es vor allem um die Verbindung zwischen alter und neuer Welt, Natur und Kapitalismus, um indigene Völker und deren Identität. Seine starke Verbindung zur Natur zeichnet sich in all seinen Werken ab, die der Künstler dann digital festhält. Miranda hat nie studiert, ist Autodidakt, spricht perfekt Englisch und bildet sich künstlerisch stetig fort.
Alles fing an mit einer Ureinwohnerin aus Zentralamerika. Noch während sich Miranda dachte, dass die Frau in ihrem traditionellen Kleid vermutlich nicht viel mit der Welt da draußen zu tun haben will, zog diese ein Iphone aus der Tasche. Diesen Moment hielt Miranda in einem Foto fest und entwickelte anschließend die Serie „Miki-Rat Series“.
Jairo Miranda über die Menschen in Costa Rica:
„Nein zur Abschottung“ – Chance zum Widerstand
Kamen Stoyanov lebt und arbeitet in Sofia und in Wien. Seine Arbeit Nein zur Abschottung ist eine Reaktion auf das Referendum in der Schweiz zur „Masseneinwanderung“ und lädt den Besucher hier ein, neu abzustimmen. Seine Installation fungiert als Wahlkabine mit einer Wahl-Urne und einem Bildschirm im Hintergrund, auf dem Stoyanov zu sehen und zu hören ist. Seine Installation über Migration, Berufsfreiheit und Freizügigkeit ist heute, ein Jahr nach dem Referendum in der Schweiz, brisanter denn je. Sowohl in Bulgarien, als auch in Österreich werden Flüchtlinge verstärkt mit Grenzkontrollen und einer Abschottungspolitik konfrontiert.
Was Kamen Stoyanov im Video erzählt:
„The Parrot and the Merchant“ – Papageien im Iran
Während der iranische Schauspieler Mehran Golmohammadi im 10-minütigen Animationsfilm The Parrot and the Merchant – angelehnt an den berühmten persischen Poeten Rumi – eine Geschichte in Bildern erzählt, erläutert Iradj Esmailpour Ghouchani, Doktorand an der LMU München, die Idee dahinter: Der Papagei verkörpert Passivität. Denn ein Papagei kann nichts anderes als zu imitieren. Konkret bedeutet das, die jeweiligen Rollen sind austauschbar. Wer ist Kaufmann, wer Papagei?
Dieser „passive Gehorsam“ steht im Sufismus für eine Form des Aktivismus. Künstlerinnen und Künstler aus dem Iran bleibt oft keine andere Wahl, als sich der Zensur zu unterwerfen. Esmailpour, der sich auf visuelle Anthropologie fokussiert hat, sieht die Freiheit des Menschen im Westen aber ähnlich gefährdet und plädiert für eine neue Form der mythologischen Narrative. So spiegeln sich seiner Ansicht nach die scheinbaren Gegensätze „West“ und „Ost“ in der Mythologie von Narziss und Echo wieder.
Weshalb er diese Vergleiche zieht, erzählt Esmailpour selbst:
„Disobedient Coffee“ – Kaffee für den guten Zweck
3 Tage, 3 Initiativen, die der Besucher bei seinem Kauf von Kaffee unterstützen kann. Die erste nennt sich Wachstums Wende. Sie will eine Wirtschaft fördern, die nicht einfach nur unbegrenzt wächst, sondern auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt. Die digitale Gesellschaft verteidigt zivile Rechte von Usern im Netz und die dritte, die DFG (Deutsche Friedensgesellschaft) setzt sich seit knapp 100 Jahren für Völkerverständigung und Abrüstung ein.
Auf dem Kaffee, den der Besucher kaufen kann, ist nur eine Mehrwertsteuer enthalten, um es nicht unnötig kompliziert zu machen, sagt Valeria Schwarz, die das Projekt entwickelt hat. Der Besucher kann also selbst entscheiden, wen er mit seinem Kauf unterstützt. Insgesamt geht ihr Projekt auf Henry David Thoreaus Idee vom „Zivilen Ungehorsam“ zurück: Thoreau weigerte sich, seine Wahlsteuern zu zahlen, um die Mexikokriege, die Sklaverei oder den Imperialismus nicht zu unterstützen. Schwarz‘ erzählt, dass ihre performative Kaffeestation auch dazu einladen soll, sich an einen der weißen Tische zu setzen und – wie in Cafésalons üblich – ins Gespräch zu kommen bzw. über politische Ideen zu diskutieren. Was ihr besonders wichtig erscheint, ist der kollektivistische Zusammenhalt in einer Demokratie.
Valeria Schwarz kommt aus Argentinien und lebt in Berlin. Über ihr Projekt sagt sie:
„Nobody knows my name“ und eine kurze Geschichte
Ogutu Muraya aus Kenia arbeitet als Autor, Theatermacher und Geschichtenerzähler. Seine Videoinstallation lehnt sich an ein Essay von James Baldwin aus dem Jahr 1956 an, in dem schwarze Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller, Philosophen in einem Kongress an der Pariser Universität Sorbonne zusammenkommen.
Im Gespräch erzählt Muraya, wie alte Shakespeare-Stücke mit modernen Einflüssen entstehen, er redet von seiner Theatergruppe, vom Leben in Afrika, und davon, dass viele Menschen denken, als Geschichtenerzähler säße man am Feuer und würde alte Mythen aufleben lassen. Muraya sammelt Geschichten aus aller Welt und gibt sie dann weiter.
Eine kurze erzählt er hier:
„Institutions, Politics and Performance“ – Kunst in der Krise?
Die Regisseurin und Kuratorin Gigi Argyropoulo aus Griechenland hielt die Lecture „Institutions, Politics and Performance“ über Kunst-Institutionen in der soziopolitischen Gegenwart. Der Vortrag war Teil eines Kongresses in Griechenland mit Vorträgen, Panels und Performances zum Thema. Argyropoulo präsentierte Ideen, Praktiken und Zukunftsmodelle im Kontext der Globalisierung.
Argyropoulo über Kunst in der Krise: